Die Skyline von Singapur in der Nacht

Wahl in Singapur Stimmungstest im Stadtstaat

Stand: 03.05.2025 11:33 Uhr

In Singapur ist die regierende PAP seit mehr als 60 Jahren an der Macht. Und obwohl die Zustimmung in der Bevölkerung bröckelt, hat es die Opposition schwer. Heute wird ein neues Parlament gewählt.

Der Gewinner dieser Wahl ist relativ sicher. Die Partei People's Action Party (PAP) ist seit der Unabhängigkeit Singapurs vor 60 Jahren an der Macht. Ihr Spitzenkandidat Lawrence Wong ist der aktuelle Premierminister. Der 52-Jährige hatte die Amtsgeschäfte im vergangenen Jahr nach zwei Jahrzehnten von Lee Hsien Loong übernommen - dem Sohn des ehemaligen Staatschefs Lee Kuan Yew, dem Gründer des modernen Singapur.

Doch die Zustimmung zur Regierungspartei bröckelt. Viele Singapurer sind unzufrieden mit steigenden Lebenshaltungskosten und der Verfügbarkeit von Wohnraum in einer der teuersten Städte der Welt. Bei der Wahl vor fünf Jahren erhielt die Regierungspartei nur 60 Prozent der Stimmen. Was in jeder Demokratie ein Erdrutsch-Sieg wäre, war für die People's Action Party das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Partei.

Wahl als Weckruf

"Es ist zu erwarten, dass die allgemeine Unterstützung von Wahl zu Wahl allmählich sinken wird", sagt der Politikwissenschaftler Lam Peng Er von der National University of Singapore. Die letzte Wahl war ein Weckruf, sagt auch Gillian Koh, Politikwissenschafterin an der Lee Kuan Yew School in Singapur.

"Ich denke, die PAP ist sich sehr, sehr bewusst, dass nach mehr als sechs Jahrzehnten immer die Gefahr besteht, selbstgefällig zu werden und zu erstarren", sagt Koh. "Deshalb hat sogar Premierminister Lawrence Wong gesagt, dass niemand davon ausgehen sollte, dass die PAP weiterhin an der Regierung bleiben wird."

Menschen in einem Wahllokal in Singapur

Wahlen in Singapur: Die Zustimmung zur Regierungspartei bröckelt.

Gerade Jüngere wünschen sich Debatten

Der Spitzenkandidat der größten Oppositionspartei, der Workers Party, Pritam Singh, wirbt für mehr politische Vielfalt im Parlament und dass sich die Wähler trauen, auch eine Partei abseits der PAP zu wählen. "Die Workers Party hat bewiesen, dass sie eine loyale Opposition im Parlament ist. Loyal nicht gegenüber der PAP. Loyal zu Singapur und dem Volk von Singapur!"

Gerade jüngere Wähler wünschen sich neue Köpfe, eine vielfältigere Politik und kontroversere politische Debatten, wie der 32-jährige Ronald Soon. "Es sollte normal sein, dass in der Regierung ein gewisser Wettbewerb herrscht. Damit es kein Monopol in der Regierung gibt. Damit die Stimmen im Parlament gehört werden. Wenn nicht, werden unsere Worte nie gehört."

Opposition kämpft mit Hindernissen

Doch die Opposition hat es in Singapur schwer. So müssen die Parteien in mehr als der Hälfte der Wahlbezirke mehrere Personen aufstellen, und eine hohe Gebühr pro Kandidat ist für die Opposition ein Hindernis.

"Die Oppositionsparteien haben behauptet, dass das Spielfeld etwas ungleich ist, weil sie in der Regel nicht über die nötigen Ressourcen verfügen, weniger in den Medien präsent sind und keine starke Unterstützung an der Basis haben", sagte der ehemalige PAP-Abgeordnete Zainal Sapari. "Ich denke, das größte Handicap ist die Psychologie der Wähler, da viele immer noch vorsichtig sind, die Opposition zu wählen, weil sie die PAP mit Sicherheit und Erfolg assoziieren. Es braucht Zeit, um diese Vorstellungen zu ändern."

Lawrence Wong

Spitzenkandidat Lawrence Wong ist der aktuelle Premierminister.

Regierung punktet mit der Wirtschaft

Die Regierungspartei kann damit punkten, dass sie auf Bedenken in Bezug auf Einwanderung, Verkehr oder Immobilienpreise eingeht. Die Wirtschaft ist in den vergangenen 60 Jahren rasch gewachsen, den Menschen geht es besser. Gleichzeitig macht die Regierung in schwierigen Zeiten Geschenke, um die Unzufriedenheit in Schach zu halten.

Premierminister Wong, der gleichzeitig auch Finanzminister ist, kündigte im Februar einen Haushalt an, der von Analysten als Wahlkampfbudget bezeichnet wurde und eine Reihe von Wohltaten enthielt, darunter Lebensmittelgutscheine, Steuererleichterungen und Nachlässe bei Versorgungsleistungen.

Vorwurf der Wahlmanipulation

Die Regierungspartei verfügt zudem über enge Beziehungen zu staatlichen Institutionen und weitaus größere Ressourcen als die Opposition. Der Politikwissenschaftler Chong Ja Ian sagt: "Sie hat auch eine solide Kontrolle über die Presse. Kritiker argumentieren, dass die Dominanz der PAP es ihr ermöglicht, Gesetze und Wahlregeln, einschließlich der Grenzen der Wahlkreise, zu ihrem Vorteil zu gestalten."

Zudem hat die Regierung regelmäßig die Wahlkreiseinteilung geändert, angeblich, um Bevölkerungsverschiebungen widerzuspiegeln, was der PAP zugutekommt. Die Partei hat den Vorwurf der Wahlmanipulation zurückgewiesen.

US-Zölle könnten Wachstum bremsen

Außenpolitisch hat die US-Politik eine große Rolle im Wahlkampf gespielt. Premierminister Wong sagte nach der Bekanntgabe der US-Importzölle: "Wir sind sehr enttäuscht über den Schritt der USA, insbesondere angesichts der tiefen und langjährigen Freundschaft zwischen unseren beiden Ländern. Das sind keine Maßnahmen, die man einem Freund antut."

In einer Rede vor einer 1,4 Millionen Mitglieder zählenden Gewerkschaft am letzten Wahlkampftag warnte Wong vor wirtschaftlichen Turbulenzen und dem Verlust von Arbeitsplätzen, sollten die US-Zölle das globale Wachstum bremsen. In Zeiten globaler Unruhe müssten die Singapurer über die Mannschaft entscheiden, die sie durch diese turbulente Zeit führen soll. Es stehe viel auf dem Spiel bei dieser Wahl, so Wong.

Niederlage Wongs ist unwahrscheinlich

Die PAP warnte die Wähler vor den Folgen eines Sitzverlusts für wichtige Kabinettsmitglieder. Sie sind laut Wong wegen ihrer Erfahrung entscheidend dafür, die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China im Gleichgewicht zu halten und Singapurs Wirtschaft durch potenziell unruhige Zeiten zu steuern. "Ich habe Ersatzleute, sicher. Aber jeder weiß, dass das Team nicht auf dem gleichen Niveau funktionieren kann", sagte Wong.

Analysten wie der Soziologe Tan Ern Ser von der National University of Singapore sind der Meinung, dass ein Stimmenanteil von 60 bis 65 Prozent für Wong bei seiner ersten Wahl als Premierminister ein gutes Ergebnis wäre und zeige, dass die Wähler dem Neuen im Amt vertrauen. Dann könnte er wie seine Vorgänger locker ein Jahrzehnt oder länger an der Macht bleiben.

Eine Niederlage der People‘s Action Party ist höchst unwahrscheinlich. Aber wie stark die Opposition abschneidet, könnte die Dynamik der Politik Singapurs in den kommenden Jahren verändern - und den Weg zu mehr Pluralität ebnen.

Karte: Singapur

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 03. Mai 2025 um 11:00 Uhr.