
Regierungsbildung SPD-Mitglieder stimmen für Koalitionsvertrag
Nach CSU und CDU hat sich auch die SPD für den Koalitionsvertrag ausgesprochen. Beim Mitgliederentscheid stimmten rund 85 Prozent zu, die Beteiligung lag bei 56 Prozent. Die SPD-Führung sieht "große Rückendeckung von der Basis".
Nach den Unionsparteien CSU und CDU haben auch die Mitglieder der SPD dem Vertrag über die Bildung einer schwarz-roten Regierungskoalition zugestimmt. Laut Parteiangaben votierten 84,6 Prozent der Mitglieder mit einem Ja, 15,4 Prozent mit Nein. Die Beteiligung an der Abstimmung, die um Mitternacht endete, lag laut SPD bei 56 Prozent. Damit wurde die notwendige Mindestbeteiligung von 20 Prozent deutlich übertroffen. Nun steht einer Unterzeichnung des Koalitionsvertrags nichts mehr im Weg.
Seit dem 15. April konnten die 358.000 SPD-Mitglieder online über das 144 Seiten starke Vertragswerk mit dem Titel "Verantwortung für Deutschland" abstimmen. Der CSU-Vorstand und ein kleiner Parteitag der CDU hatten bereits zuvor zugestimmt. Unterzeichnet werden soll der Koalitionsvertrag am Montag um 12 Uhr im Gasometer in Berlin-Schöneberg.
Miersch sieht "große Rückendeckung von der Basis"
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zeigte sich mit der Abstimmung "sehr zufrieden". Die erste digitale bundesweite Abstimmung der Partei sei ohne Störung verlaufen, so der 56-Jährige im Willy-Brandt-Haus. Die Mehrheit des Votums sei groß. "Damit bekommt die SPD eine große Rückendeckung von der Basis für das Eintreten in die Bundesregierung und damit für die Übernahme der Verantwortung im Sinne der Bundesrepublik Deutschland."
Der designierte Kanzler Friedrich Merz (CDU), der am Dienstag gewählt werden soll, zeigte sich erfreut über das positive SPD-Mitgliedervotum zum Koalitionsvertrag. "Es ist die richtige Entscheidung für unser Land", schrieb er auf X. "Die breite Zustimmung zu unserem Koalitionsvertrag zeigt: Die politische Mitte ist handlungsfähig und übernimmt Verantwortung." Nun sei der "Weg frei für eine starke Regierung, die die Probleme unseres Landes endlich wieder löst", schrieb Merz.
Auch CSU-Chef Markus Söder begrüßte das Votum. "Jetzt kann es endlich losgehen: Es ist höchste Zeit für einen echten Richtungswechsel in Deutschland", schrieb er auf X. Bereits am ersten Tag "heißt es volle Pulle". Es gehe um niedrigere Energiekosten, Sonderabschreibungen und Bürokratieabbau. Außerdem brauche es mehr Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen, Abschiebungen auch nach Syrien und Afghanistan und ein Ende freiwilliger Aufnahmeprogramme.
Kritik von den Jusos
Kritik in der SPD hatte es vor allem an der im Koalitionsvertrag angelegten Verschärfungen der Migrations- und Sozialpolitik gegeben. Die Führung der Jusos hatte das Vertragswerk deswegen abgelehnt und Nachverhandlungen gefordert. Die einzigen Alternativen zu Schwarz-Rot wären eine Koalition zwischen Union und AfD, eine Minderheitsregierung oder Neuwahlen gewesen.
Am kommenden Montag will die SPD ihre sieben Ministerinnen und Minister für die neue Regierung vorstellen. Parteichef Lars Klingbeil soll in der neuen Regierung Vizekanzler und Finanzminister werden. Bis Montag soll Klingbeil demnach das Regierungsteam zusammenstellen. Als sicher gilt zudem, dass Boris Pistorius Verteidigungsminister bleibt.
Am Montagmittag soll der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD offiziell unterzeichnet werden. Die SPD will am Montag auch ihre Ministerriege vorstellen.
6. Mai: Kanzlerwahl und Vereidigung
Am Dienstag soll CDU-Chef Friedrich Merz dann zum Kanzler gewählt werden. Der Bundeskanzler wird auf Vorschlag des Bundespräsidenten in einer geheimen Wahl gewählt. Er benötigt die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags - also 316 Stimmen. Nach seiner Wahl wird Merz im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Ernennungsurkunde überreicht. Zurück im Bundestag wird der neue Kanzler dann vereidigt.
Auch das Kabinett dürfte an diesem Tag im Bundestag vereidigt werden. Die Ministerinnen und Ministern müssen nicht vom Bundestag gewählt werden. Sie erhalten vom Bundespräsidenten die Ernennungsurkunden und legen anschließend im Bundestag den Eid ab. Damit ist die neue Bundesregierung offiziell im Amt.
Auch 2013 und 2018 deutliche Mehrheit
Die SPD hatte die Mitglieder auch 2013 und 2018 über die Koalitionsverträge mit der Union abstimmen lassen. Beide Male gab es große Zustimmung. Obwohl es 2018 eine vom damaligen Juso-Chef Kevin Kühnert organisierte, große "NoGroKo"-Kampagne gegen Schwarz-Rot gab, votierten 66 Prozent der Mitglieder mit Ja. 2013 hatte die Zustimmung sogar bei 76 Prozent gelegen.
"Durchaus überraschendes" Ergebnis
Für den Politikwissenschaftler Thorsten Faas ist das SPD-Votum "durchaus überraschend". Er hätte das so nicht unbedingt erwartet, sagte er im Gespräch mit tagesschau24. Das Bild von Schwarz-Rot habe sich "doch sehr, sehr gewandelt" nach der Zeit der Ampel.
Die "niedrige Wahlbeteiligung" erklärte Faas neben geringer Begeisterung auch mit weniger Werbung für die Abstimmung sowie für manche Mitglieder organisatorische Hürden.
Mit Blick auf den Koalitionsvertrag sprach der Politikwissenschaftler von einem "bewussten Signal". CDU, CSU und SPD hätten sich entschieden für: "Mehr Methode, weniger Inhalt - wenn man so will." Ob das am Ende begeistere, sei eine andere Frage.