
Nach gescheiterter Kanzlerwahl Merz will noch heute erneut antreten
CDU-Chef Merz will sich noch heute erneut zur Wahl stellen, um Kanzler zu werden - darauf verständigten sich Union und SPD mit Grünen und Linken. Im ersten Wahlgang hatte Merz überraschend die nötige Mehrheit im Bundestag verfehlt.
Nach dem Scheitern von CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Anlauf bei der Wahl zum Bundeskanzler soll es noch heute Nachmittag einen zweiten Wahlgang geben. Dies sagte SPD-Co-Chef Lars Klingbeil nach Beratungen der Fraktionen.
Union und SPD hätten sich mit Grünen und Linken darauf verständigt, einen entsprechenden Antrag zu stellen, so Klingbeil. Er gehe davon aus, dass Merz im zweiten Wahlgang die erforderliche Mehrheit bekommen werde.
Unionsfraktionschef Jens Spahn bestätigte, dass Merz sich am Nachmittag einem zweiten Wahlgang stellen wird. "Ganz Europa, vielleicht die ganze Welt schaut auf diesen Wahlgang", betonte Spahn. "Ich appelliere an alle, sich dieser besonderen Verantwortung bewusst zu sein."
Reichinnek: "Peinlich für die Koalition"
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann sagte: "Wir brauchen eine starke, eine handlungsfähige Bundesregierung - und das soll noch heute auf den Weg gebracht werden." Ausdrücklich bedankte Hoffmann sich bei den Fraktionen von Linken und Grünen.
Um einen zweiten Wahlgang auf die Tagesordnung zu setzen, ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Dafür benötigt die schwarz-rote Koalition die Stimmen der beiden Oppositionsfraktionen. Die Zustimmung der vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuften AfD ist dann nicht erforderlich.
Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Heidi Reichinnek, sagte dazu: "Wir haben immer angekündigt, wir stehen bereit, mit den demokratischen Fraktionen gemeinsam zu sprechen - das haben wir getan." Sie sagte aber auch, es sei "peinlich für die Koalition, dass sie das im ersten Wahlgang nicht geschafft haben".
Sechs Stimmen fehlten
Am Vormittag war Merz überraschend im ersten Durchgang gescheitert. Er erhielt in geheimer Abstimmung 310 Ja-Stimmen und damit sechs weniger als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament.
Wer die Abweichler waren, blieb wegen der geheimen Wahl unklar. Union und SPD hatten vor der Sitzung angegeben, dass ihre Abgeordneten komplett anwesend seien. Doch mindestens 18 Abgeordnete der beiden Fraktionen müssen nicht für Merz gestimmt haben - vielleicht auch mehr. Denn theoretisch könnten auch Oppositionspolitiker ihre Stimme für den CDU-Chef abgegeben haben.
Es ist in der Form ein Novum in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Noch nie war nach einer Bundestagswahl und erfolgreichen Koalitionsverhandlungen ein designierter Kanzler bei der Wahl im Bundestag gescheitert.
Zweiter Wahlgang binnen 14 Tagen
Laut Grundgesetz kann innerhalb von 14 Tagen ein zweiter Wahlgang angesetzt werden. Während dieser zwei Wochen könnte es auch beliebig viele Wahlgänge mit verschiedenen Kandidatinnen und Kandidaten geben. Benötigt wird aber erneut die absolute Mehrheit von mindestens 316 Stimmen.
Gibt es nach den 14 Tagen noch keinen Bundeskanzler oder keine Bundeskanzlerin, müsste nach dem Grundgesetz "unverzüglich" ein neuer Wahlgang stattfinden. Es würde also noch einmal gewählt - dann reicht die einfache Mehrheit.