Eine Auswahl konfiszierter Messer liegen auf einem Tisch.

Maßnahmen gegen Kriminalität Was hilft gegen die Gewalt mit Messern?

Stand: 05.05.2025 07:05 Uhr

Die Gewalt mit Messern nimmt zu, aber auch die Maßnahmen dagegen werden verschärft. Was bringen die neuen Waffengesetze und was braucht es noch im Kampf gegen Messerkriminalität?

Von Maximilian Fallert, MDR

Wie selbstverständlich tragen sie ihre Messer in der Hosentasche. Bei einer Polizeikontrolle am Bremer Hauptbahnhof kommen Einhandklingen mit Verzierungen oder illegale Springmesser zum Vorschein - in den Taschen Jugendlicher. Die Heranwachsenden müssen ihre Klingen abgeben und im Einzelfall Bußgelder zahlen.

Zunehmend illegal

Seit Oktober vergangenen Jahres gilt ein verschärftes Waffengesetz: Veranstaltungen wie Volksfeste und Wochenmärkte, Orte wie Bahnhöfe aber auch Busse und Bahnen sollen seitdem messerfreie Zonen sein. Unabhängig davon, wie das Messer aussieht oder wie lang die Klinge ist.

Behörden können leichter Waffenverbotszonen einrichten: Dort können Polizeibeamte einfacher Messer aus dem Verkehr ziehen, erhöhte Geldstrafen zielen auf Abschreckung. Ein Messer darf nur dann getragen werden, wenn es noch in einer Tasche eingepackt ist. Immer mehr Städte weisen solche Zonen aus.

Im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD findet sich ein kurzer Absatz zur Messerkriminalität: Die neue Regierung will prüfen, inwieweit Strafen im Zusammenhang mit Messergewalt verschärft werden können.

Kontrollen können Sicherheit erhöhen

Die Kriminologin Britta Bannenberg von der Justus-Liebig-Universität Gießen sieht in Messerverbotszonen eine sinnvolle Maßnahme: "Gerade an den Hot Spots der Kriminalität im öffentlichen Raum, wo viele Menschen unterwegs sind, wo viele junge Menschen zum Feiern zusammenkommen und das Eskalationspotential groß ist, können Waffenverbotszonen und pauschale Kontrollen die Sicherheit erhöhen."

Menschen, die es auf Gewalt abgesehen hätten, etwa im Bereich der organisierten Kriminalität oder im Umgang mit Drogen, würden durch solche Verbote aber eher nicht abgeschreckt, ist die Forscherin überzeugt.

 

Keine Sicherheitsgarantie

Gesetze und Kontrollen garantieren nicht durchweg Sicherheit. "Dann stand dieser Mann plötzlich vor mir und hat zugestochen, ohne irgendwas zu sagen", erzählt Liliana F. Die 19-Jährige ist im Februar Opfer einer lebensbedrohlichen Messerattacke am Bahnhof einer niedersächsischen Kleinstadt geworden.

Angegriffen hat sie ein polizeilich bekannter, psychisch kranker Mann - mit einem Messer, das eigentlich verboten ist. In Niedersachsen gibt es laut polizeilicher Kriminalstatistik acht Messerangriffe am Tag. In Berlin sind es zehn.

Gibt es mehr Messerattacken?

Rund 29.000 Messerangriffe zählten die Behörden in ganz Deutschland im vergangenen Jahr. Die Statistiker werten auch Bedrohungen mit Messern und versuchte Attacken als "Angriff".

In rund 10.000 Fällen von gefährlicher Körperverletzung war ein Messer die Tatwaffe, das sind zehn Prozent mehr als 2023. Jeder 20. schwere Angriff auf einen Menschen erfolgte mit einem Messer. "Gleichzeitig ist die Zahl der Raubdelikte mit Messer gesunken", erklärt Kriminologe Dirk Baier von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

Er ist vorsichtig optimistisch, dass die Zahl der Messerangriffe einen Höhepunkt erreicht haben könnte: "Wenn Gewaltkriminalität ein Niveau erreicht, wo eine Gesellschaft das nicht mehr akzeptiert, dann wissen wir, dass das Ruder auch wieder herumgerissen werden kann."

Akteure aus der Zivilgesellschaft, Sozialarbeiter an Schulen und Polizeibehörden mit Schwerpunkten zu einzelnen Themen könnten Entwicklungen auch wieder umkehren. "Ich glaube, im Messerbereich sind wir in dieser Phase", so der Kriminologe.

Die Datenlage ist allerdings noch ungenau. Forschungsprojekte zur Messerkriminalität sind bislang selten. Niedersachsen will in diesem Jahr ein Projekt starten, auch Rechtswissenschaftlerin Britta Bannenberg forscht aktuell zur Messergewalt: "Wir wollen wissen, wer aus welchen Gründen Messer trägt und einsetzt, um so auch zielgenauere Präventionsangebote zu ermöglichen."

Eine Frage des Geschlechts

Messerbesitz und Messergewalt sind Männersache. "Männer sind gewalttätiger als Frauen. Das ist eine allgemeine kriminologische Erkenntnis", sagt die Forscherin Bannenberg. Kriminologe Dirk Baier sagt: "Es hat auch mit Männlichkeitsvorstellungen zu tun, weil das Messer zeigt: Ich bin ein gefährlicher Typ."

Gerade junge Männer bis ins Alter von 40 Jahren neigen häufiger zu Normüberschreitungen und Gewalt. Die Zahlen dazu sind überdeutlich: In Sachsen etwa sind im Bereich der Messerkriminalität neun von zehn Tatverdächtigen Männer, acht von zehn Opfern auch. Jeder dritte Tatverdächtige im Freistaat ist unter 21 Jahre alt. Rund die Hälfte kommt nicht aus Deutschland.

Welche Rolle spielt die Herkunft?

Forscherin Bannenberg plädiert dafür, die Herkunft nicht zu relativieren: Es gebe Zuwanderer aus Ländern, in denen gewaltvolle Erziehung und eigene Gewalterfahrungen deutlich ausgeprägter sind als in Deutschland. Allerdings sei Herkunft ein Faktor von vielen und die Frage nach Ursachen komplex.

Laut Dirk Baier müssten die Umstände berücksichtigt werden: Traumatische Fluchterfahrungen, mangelnde Perspektiven in Deutschland und die fehlende Integration könnten eigenes Gewaltverhalten begünstigen.

Im Kampf gegen Messer brauche es einen langen Atem. Baier plädiert für einen nationalen Aktionsplan: mehr Mittel für Sozialarbeit und die Beratung und Betreuung von Intensivtätern, Kampagnen gegen Gewalt. Und es brauche mehr Aufmerksamkeit für die Opfer.

"Es bringt gar nichts, ein Messer mitzuhaben. Im schlimmsten Fall verletzt du eine Person, die gar nicht beteiligt ist, zerstörst Menschenleben damit", sagt Liliana F., die vor kurzem nur knapp den Messerangriff überlebt hat.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete WDR1 am 18. Februar 2025 um 17:12 Uhr.