
Einstufung des Verfassungsschutzes Warum die AfD "gesichert rechtsextremistisch" ist
Seit ihrer Gründung ist die AfD nach Einschätzung des Verfassungsschutzes immer weiter nach rechts gerückt. Inzwischen sei klar: Die Partei ist extremistisch. Wie kommt der Verfassungsschutz zu der Einschätzung?
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat die AfD als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Grundlage der Entscheidung ist ein umfangreiches Gutachten des BfV, das nur für den internen Dienstgebrauch bestimmt ist. Eine Veröffentlichung des internen Arbeitspapiers, in das auch Erkenntnisse aus dem zurückliegenden Bundestagswahlkampf eingeflossen sind, ist nicht vorgesehen.
Die Gründe teilte die Behörde aber mit: Die Einstufung erfolge "aufgrund der die Menschenwürde missachtenden, extremistischen Prägung der Gesamtpartei". "Das in der Partei vorherrschende ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis ist nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar", teilte die Sicherheitsbehörde mit. Es ziele darauf ab, bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen.
"Konkret betrachtet die AfD zum Beispiel deutsche Staatsangehörige mit Migrationsgeschichte aus muslimisch geprägten Ländern als nicht gleichwertige Angehörige des durch die Partei ethnisch definierten deutschen Volkes", heißt es in der Mitteilung des Inlandsgeheimdienstes. Zum Ausdruck komme dieses Verständnis in Äußerungen teils hochrangiger Parteimitglieder.
Quent: "In der Tradition des Nationalsozialismus"
Bei der Frage, warum die AfD als rechtsextremistisch eingestuft wird, drehe es sich im Wesentlichen immer um drei Prinzipien, sagt der Rechtsextremismusforscher Mathias Quent im Interview mit tagesschau24. "Das ist der Verstoß gegen das Menschenwürde-Prinzip. Das sieht man an abwertenden Äußerungen, an Verächtlichmachung, an Pauschalisierung, insbesondere gegen Menschen mit Migrationshintergrund und gegen Muslima und Muslime. Das ist der Verstoß gegen das Demokratie-Prinzip, die Verachtung des Staates und seiner Institutionen beispielsweise. Und das Rechtsstaatsprinzip."
In der Meldung des Verfassungsschutzes sei besonders der "völkische Nationalismus" der AfD hervorgehoben worden. "Also die Vorstellung, dass Zugehörigkeit zu Deutschland nur aufgrund von ethnischer Abstammung hergestellt werden kann." Das sei das, wofür der Rechtsextremismus in der Tradition des Nationalsozialismus stehe.
Gutachten bezieht sich auf zahlreiche Beispiele
Medienberichten zufolge bezieht sich der Bundesverfassungsschutz in seinem Gutachten unter anderem auf Aussagen des Bundestagsabgeordneten Hannes Gnauck. Bei einem Auftritt im brandenburgischen Zossen hatte Gnauck im August des vergangenen Jahres gesagt: "Wir müssen auch wieder entscheiden dürfen, wer überhaupt zu diesem Volk gehört und wer nicht. Es gehört mehr dazu, Deutscher zu sein, als einfach nur eine Staatsbürgerurkunde in der Hand zu haben."
Gnauck war Vorsitzender der schon länger als rechtsextremistisch eingestuften "Jungen Alternative", die sich im März aufgelöst hatte. Über ihn war 2021 bekannt geworden, dass er während seiner Zeit bei der Bundeswehr vom Militärischen Abschirmdienst (MAD) wegen fehlender Verfassungstreue als Extremist eingeordnet worden war.
Ein anderes Beispiel ist Berichten zufolge eine Aussage des brandenburgischen AfD-Landtagsabgeordneten Dennis Hohloch. Er hatte bei einer AfD-Veranstaltung im August gesagt, Multikulti bedeute "Traditionsverlust, Identitätsverlust, Verlust der Heimat, Mord, Totschlag, Raub und Gruppenvergewaltigung".
Ähnliche Aussagen lassen sich auch bei Parteichefin Alice Weidel finden. In einer Rede im September 2024 sprach sie über Zahlen des BKA zu Sexualstraftaten und bezeichnete "Gruppenvergewaltigungen" und das "Herumgemessere" als neue Phänomene im Land: "Was wir auf den deutschen Straßen erleben, ist der Dschihad. Hier wird ein Glaubenskrieg gegen die deutsche Bevölkerung bereits geführt. Und das ist auch der Grund, warum, sobald wir in der Regierung sitzen wir diese Leute alle achtkantig rausschmeißen, die diese Verbrechen auf unseren Straßen begehen."
Völkischer Nationalismus und "Remigration"
Im vergangenen Jahr war die AfD mit dem Schlagwort "Remigration" in die Schlagzeilen geraten. Correctiv berichtete im Januar 2024 über ein Treffen, an dem auch AfD-Politiker teilgenommen hätten. Dabei soll es um die Vertreibung von Millionen von Menschen aus Deutschland gegangen sein - auch solcher mit deutschem Pass. "Remigration" wird in rechtsextremistischen Kreisen genau in diesem Sinn benutzt.
Der Bundestagsabgeordnete und brandenburgische Landesvorsitzende René Springer postete noch am Tag der Veröffentlichung der Recherche bei X: "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein #Geheimplan. Das ist ein Versprechen."
Die Parteivorsitzende Weidel sprach in einem Statement von unwahren Behauptungen und der "Ausschöpfung rechtsstaatlicher Mittel". Wer deutscher Staatsbürger sei, gehöre ohne Zweifel auch zum deutschen Staatsvolk.
In ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2025 benutzte die AfD den Begriff "Remigration" ebenfalls, allerdings seien damit "Maßnahmen und Anreize zu einer rechtsstaatlichen und gesetzeskonformen Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer in ihre Heimat" gemeint. Die AfD erklärte, sie unterscheide "nicht zwischen deutschen Staatsangehörigen mit und ohne Migrationshintergrund".
Pauschalisierende Darstellungen
Doch in sozialen Netzwerken beschreibt die AfD Menschen mit Migrationshintergrund immer wieder pauschalisierend. So schrieb der AfD-Bundesverband nach einer Demonstration von Islamisten in Hamburg im April 2024 auf Facebook: "Kalifat Deutschland: Wenn wir jetzt nicht handeln, gibt es kein Zurück mehr!" Die Partei setzte damit eine kleine Gruppe von Extremisten mit muslimischen Menschen in Deutschland gleich.
Auch bei Geflüchteten greift die AfD immer wieder auf Pauschalisierungen zurück. Im August 2023 schrieb der AfD-Bundesverband auf Facebook zum Beispiel: "CDU holt Kriminelle ins Land: Grenzen schützen statt Parks einzäunen!" Anlass war der Plan der Berliner CDU, den Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg einzuzäunen und den nächtlichen Zugang zu beschränken, nachdem dort eine Frau vergewaltigt wurde. Statt Kriminalitätsschwerpunkte als solche zu benennen, erklärt die AfD Migration nach Deutschland zum Ursprung von Kriminalität.
Was sind die Folgen?
Diese und viele andere Aussagen waren schon lange Gegenstand der Debatte darum, ob die AfD als rechtsextremistisch einzuordnen ist. In Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt hatten die Landesverfassungsschutzämter den jeweiligen Landesverband der Partei bereits als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft.
Bei den zurückliegenden Landtagswahlen hat das der Partei dort offenbar allerdings nicht geschadet. Und bei der Bundestagswahl am 23. Februar ist die AfD mit 20,8 Prozent auf dem zweiten Platz gelandet. Sie ist die größte Oppositionspartei im neuen Bundestag.
Nun könnte erneut eine Debatte um ein Parteiverbotsverfahren beginnen. Ein Antrag dazu wurde im Februar zunächst auf Eis gelegt. Mit den Erkenntnissen des Verfassungsschutzes könnte das Vorhaben nun aber wieder aufgenommen werden.