
Baden-Württemberg "Krawallrhetorik": Kretschmann und Strobl rügen Ton im Streit über Finanznot der Kommunen
Die finanzielle Lage von Karlsruhe, Baden-Baden und Tübingen ist dramatisch. Auch kleinere Städte stehen am finanziellen Abgrund. Es gibt scharfe Kritik und vage Lösungsansätze.
Tübingen ist die nächste Stadt in Baden-Württemberg, deren Haushalt die rote Karte bekommt. Das Regierungspräsidium hat den Haushaltsentwurf für das laufende Jahr nicht genehmigt. In Baden-Baden und Karlsruhe gilt bereits eine Haushaltssperre und die Perspektive ist, wie für viele andere Kommunen auch, dramatisch. Der Ton zwischen Kommunen und Land wird rauer.
Darum geht's:
Scharfe Kritik und Forderung nach mehr Unterstützung vom Land
Die Probleme in den Städten in BW ähneln sich. Viele Kommunen hätten schon in den vergangenen Jahren mehr ausgegeben als sie eingenommen haben. Sie mussten auch auf ihre Rücklagen zurückgreifen, so Ralf Broß, Vorstandsmitglied des baden-württembergischen Städtetags.
Städtetagspräsident und Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) hatte zuletzt den Innenminister mit scharfen Worten angegriffen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) wiesen am Dienstag insbesondere den Ton zurück. Finanzhilfen für Kommunen müssten vor allem vom Bund kommen.
Ich würde dem Städtetagspräsidenten empfehlen, einen anderen Ton anzuschlagen. Wir haben nun wirklich genug marktschreierische Töne. Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident Baden-Württemberg
Der Innenminister hat zeitnahe Gespräche mit Städten angekündigt, fordert Bürokratieabbau und appelliert, den konstruktiven Verhandlungsweg der Vergangenheit gemeinsam fortzusetzen.
Es muss jeder entscheiden, ob er mit Argumenten kommt oder mit ungehobelter Krawallrhetorik. Thomas Strobl (CDU), Innenminister Baden-Württemberg
Der Städtetag kritisiert bereits seit langem, dass Bund und Land den Kommunen immer mehr Pflichtaufgaben übertragen, dafür aber nicht genügend Geld zur Verfügung stellen. Dazu gehören unter anderem der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern oder die Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Das sei auf Dauer nicht leistbar.
Tübingen: Regierungspräsidium kassiert Haushaltsentwurf für 2025
Die Stadt Tübingen muss ihre Finanzplanung erneut nachbessern. Das Regierungspräsidium hat den Haushaltsentwurf für das laufende Jahr nicht genehmigt. Das eingeplante Defizit von 25 Millionen Euro sei zu groß. Auch die Prognosen bei den Steuereinnahmen hätten sich noch einmal massiv verschlechtert. Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) sieht die Verantwortung anderswo.
Tübingens OB Palmer im SWR-Gespräch am 29. April:
Denn Palmer will nun die nächste Steuerschätzung im Mai abwarten. Dann soll neu gerechnet werden. Insgesamt muss die Stadt wohl weitere 12 Millionen Euro einsparen. Im Gespräch mit dem SWR sagte Palmer am Dienstag, man müsse die 12 Millionen Euro finden "mit Einsparungen oder Steuererhöhungen."
Als potenzielle Maßnahme hatte Palmer die rückwirkende Erhöhung der Grundsteuer ins Spiel gebracht, auf den potenziellen Ärger mit Vermögenden oder Grundbesitzer könne er keine Rücksicht nehmen, so Palmer am Dienstag.
Palmer kritisierte außerdem den Bund: Der erste Ansatz müsse sein, die Wirtschaft "wieder flott zu kriegen und Bürokratie abzubauen". Zudem forderte Palmer vom Bund, "keine Rechnungen mehr zu stellen, die er selber nicht bezahlen möchte."
Baden-Baden: "Von Finanzkrise überrascht"
Auch die Stadt Baden-Baden hat Finanzprobleme: 32 Millionen Euro an zusätzlichen Krediten müssen aufgenommen werden. Das hat der Gemeinderat am Montagabend abgenickt. Die Gesamtschuldenlast läge dann bei etwa 49 Millionen Euro. Nun muss noch das Regierungspräsidium Karlsruhe den Nachtragshaushalt genehmigen. Ob das klappt, ist allerdings ungewiss. Einige Mitglieder des Gemeinderats hielten den Nachtragshaushalt für nicht genehmigungsfähig.
Ein Hilferuf der Stadt beim baden-württembergischen Innenministerium war erfolglos geblieben. Zur Schuldenkrise der Stadt soll es am 6. Mai eine Bürgerversammlung in der Festhalle in Baden-Baden/Oos geben.
Karlsruhe: Stadt muss Millionensummen einsparen
In Karlsruhe gilt seit Februar eine Haushaltssperre. Das geplante Defizit für das laufende Haushaltsjahr hatte sich fast verdoppelt. Nun müssen 2025 weitere 50 Millionen eingespart werden. Zuletzt wurden Sparlisten in den Dezernaten erarbeitet, die den Stadträten in den kommenden Wochen vorgelegt werden sollen. Ob die Haushaltssperre wie geplant im Mai aufgehoben werden kann, bleibt fraglich.
Denn bereits jetzt ist klar: Für die Aufstellung des anstehenden Doppelhaushalts 2026/27 müssen weitere Millionen eingespart werden. Die Stadtverwaltung spricht von einer vierten Stufe der Haushaltssicherung. 2026 müssten weitere 80 Millionen Euro eingespart werden. Davon alleine 27 Millionen im Bereich Jugend, Sport und Soziales. Aus der Stadtverwaltung ist zu hören, dass die Sparmaßnahmen jeder in Karlsruhe zu spüren bekommen werde.
Diese Lösungsansätze werden in Tübingen, Karlsruhe, Baden-Baden und Mannheim diskutiert
In Tübingen hat man sich bereits auf viele Einsparungen verständigt. Beim Klima- und Umweltschutz wird künftig gespart. Geplante Kürzungen bei der Schulsozialarbeit lösten großen Widerstand aus. Für Diskussionsstoff sorgen außerdem die Pläne von Oberbürgermeister Boris Palmer, den Hebesatz der Grundsteuer B rückwirkend zum 1. Januar anzuheben.
In Baden-Baden und Karlsruhe haben die Sparmaßnahmen bislang noch keine spürbaren Konsequenzen für Bürgerinnen und Bürger. Die Lösungsansätze sind noch vage. In beiden Städten werden derzeit Konzepte für Sparmaßnahmen erarbeitet, die die entsprechenden Gremien durchlaufen müssen. So sind in Karlsruhe bereits seit Monaten Kürzungen im ÖPNV im Gespräch. Die sozialen Träger wie Caritas, Diakonie und AWO befürchten massive Folgen durch drohende Kürzungen und einen Kahlschlag in der sozialen Infrastruktur der Stadt.
In Mannheim beschäftigt die angespannte Haushaltslage am Dienstag den Hauptausschuss des Gemeinderats. Auf Initiative von Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) könnte beschlossen werden, dass alle Dezernate ihre Ausgaben um zwei Prozent senken müssen, bis die Stadt liquider ist. Sozialleistungen und andere Transferaufwendungen wie die Förderung von gemeinnützigen Projekten sollen von dem Plan unberührt bleiben.
In kleineren Städten in BW gibt es zahlreiche konkrete Sparmaßnahmen, die derzeit umgesetzt werden. Bad Herrenalb hat die Mitgliedschaft in der Tourismusgemeinschaft Albtal Plus gekündigt. Damit sollen jährlich 120.000 Euro eingespart werden. In Aalener Schulen soll es in diesem Jahr keine Grundreinigung mehr geben. Gespart werden dadurch rund 100.000 Euro. In Fellbach schlägt die Verwaltung einen Stellenstopp sowie höhere Steuern und Gebühren vor.
Sendung am Di., 29.4.2025 19:30 Uhr, SWR Aktuell Baden-Württemberg, SWR BW