
Bayern Warum Bayern noch sehr viel Ökostrom wegwirft
Der Anteil erneuerbarer Energien wächst, doch für Strom-Überschüsse fehlen Speicherkapazitäten. Vor allem Pumpspeicherwerke könnten das Problem lösen helfen – doch in Bayern wie im Bund kommt der Bau kaum voran.
Die Idee ist eigentlich ganz einfach: Dort, wo die Sonne scheint, der Wind bläst oder Wasser zu Tal rauscht, machen wir aus daraus immer häufiger Öko-Strom. Scheint aber die Sonne zu viel oder bläst der Wind unablässig, können wir gar nicht so viel Strom verbrauchen wie erzeugt wird. Also muss der Strom gespeichert werden, will man Windräder oder Solaranlagen nicht ständig abschalten oder Überschüsse zum Teil ins Ausland liefern. Doch genau da hakt es. Wichtig für die Stromspeicherung könnten Pumpspeicherkraftwerke sein. Von denen aber gibt es im Bund wie in Bayern nicht genügend – und ihr Bau kommt nur schleppend voran.
Bayern hatte zwar schon vor zehn Jahren 16 mögliche neue Standorte für Pumpspeicher an Flüssen und Seen ins Gespräch gebracht. Bis auf ein älteres Projekt nahe Passau, dass erst jetzt das Planfeststellungverfahren abschließen könnte, hat sich aber seitdem nichts getan. Seit 2011 ist sogar eines der sieben bestehenden Pumpspeicherkraftwerke Bayerns außer Betrieb: Das riesige Oberbecken in Happurg bei Nürnberg wird noch bis 2028 renoviert, seit es auf rätselhafte Weise sein Wasser verloren hatte.
Grafik: Wie Pumpspeicher-Kraftwerke funktionieren

Pumpspeichertechnologie - kann eine Zuviel an Strom aus erneuerbaren Energien speichern und bei zu wenig Wind- und Solarstrom wieder abgeben.
Das Speicher-Prinzip ist ganz einfach: Überschüssiger Strom aus erneuerbaren Energien wird dazu verwendet, Wasser aus Flüssen oder Seen in ein höher gelegenes, extra dafür gebautes Becken zu pumpen. Das Wasser wird dann wieder abgelassen und dabei durch Turbinen gejagt, wenn zu wenig Strom auf dem heimischen Markt ist. Das nennt sich: Ausgleich von "Dunkelflauten". Doch die Speicherkapazitäten für Strom sind nicht nur in Bayern unterentwickelt.
"Wir schmeißen zehn Terawattstunden Strom weg"
Professor Michael Sterner, Energie-Experte an der Ostbayerischen Technischen Hochschule in Regensburg zieht eine ernüchternde Bilanz: "Deutschlandweit haben wir ungefähr zehn Terawattstunden Wind- und Solarstrom, die wir jedes Jahr wegschmeißen. Wenn wir das umwandeln würden in Wasserstoff, könnte man damit alle Busse in Deutschland fahren."
In Bayern werde gerade "sehr, sehr viel Solarstrom weggeworfen". Zwar sei die Wasserstofftechnologie noch nicht so weit. Doch die Stromverschwendung aus erneuerbaren Energien könne man dadurch lindern, so Sterner zu BR24, indem wir mehr "Pumpspeicher und Batteriespeicher installieren – und zwar zügig."
Widerstand gegen Pumpspeicherwerk
Das mit dem "zügig" ist so eine Sache: Für das neue Pumpspeicher-Projekt Riedl östlich von Passau biegt das nötige Planfeststellungsverfahren erst nach über zehn Jahren auf die Zielgerade ein. Der Bescheid-Entwurf des Landratsamts Passau wird aktuell von der Betreiberfirma, der Regierung von Niederbayern, dem Umweltministerium und weiteren Fachstellen geprüft. Rund 150 Einwendungen gegen das Projekt sind bereits erörtert worden.
Der Staatsbeauftragte für Bürokratieabbau in Bayern, Walter Nussel, CSU, ist über das lange Genehmigungsverfahren verschnupft: "Das können wir uns auf Dauer nicht mehr leisten. Wir müssen hier viel schneller werden in den Verfahren. Wir müssen auch Verbandsklagerecht bei solchen Verfahren – in Anführungszeichen – einmal infrage stellen." Natürlich wolle man Bürgerbeteiligung, "aber zehn Jahre überfordern uns. Und vor allem brauchen wir auch Planungssicherheit für die Firmen, die in Wasserkraft investieren", so Nussel zu BR24.
CSU und FW sehen Bund, SPD sieht Bayern in der Pflicht
Deshalb hatte der Bayerische Landtag Mitte März auf Antrag der Regierungskoalition beschlossen, der Freistaat möge den Bund drängen, die Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Bau von Energiespeichern zu beschleunigen. Die SPD hatte dies noch im Ausschuss abgelehnt und fordert eine eigene bayerische Speicherstrategie.
Florian von Brunn, energiepolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, hat den Eindruck, "dass Herr Aiwanger vor allem über Holz redet und über Wasserstoff und die anderen Speicher, die wir dringend brauchen, sind irgendwo unter ferner liefen". Damit die Energiepreise niedrig blieben, "brauchen wir alle Arten von Speichern", sagte von Brunn BR24.
Das will Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) nicht auf sich sitzen lassen: Er habe sich "erfolgreich um die Pumpspeicher gekümmert, zum Beispiel Riedl bei Passau wieder als Projekt von europäischem Interesse durchgesetzt, um mit der Genehmigung voranzukommen." Nicht der Staat baue ja die Pumpspeicher, sondern Privatinvestoren, so Aiwanger in einem Statement: "Deshalb wurde auch Happurg bei Nürnberg jahrelang nicht saniert, weil es aufgrund der Energiepolitik des Bundes nicht rentabel war. Beispielsweise wurde ein Pumpspeicher bewertet wie ein Strom-Endverbraucher. Dadurch wurden zu hohe Abgaben und Kosten fällig."
Sterner: Wasserstoff ist Zukunftsmusik
Für den Energie-Speicher-Experten Michael Sterner ist klar, dass Aiwangers Wasserstoff-Träume vorerst noch an dritter Stelle stehen: "Die Pumpspeicher sind essenziell für die Energiewende in Bayern, weil sie die älteste Technologie sind, super ausgereift sind und halt auch hochwirtschaftlich sind."
Es kämen zwar jetzt zunehmend auch die Batteriespeicher zum Zuge, die seien genauso lukrativ, aber: "Die muss man nach zehn, 15 Jahren recyceln, die nutzen Seltene Erden et cetera. Wasserstoff ist leider noch lange nicht so weit, als dass er wirtschaftlich und technisch zum Speicher taugen würde."
Für containergroße Batterie-Einheiten auf der grünen Wiese braucht man zumindest keine Speicherseen zu bauen. Dass diese höchst umstritten sind, zeigt das Beispiel Riedl: Dort haben Umweltschützer längst angekündigt, bis zur letzten Instanz gegen das neue Pumpspeicherkraftwerk zu klagen. Sie sagen: Energiewende ja – aber nicht im Naturschutzgebiet Donauleiten an der Grenze zu Österreich.
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Quelle: radioWelt 28.04.2025 - 06:05 Uhr