
Krieg gegen die Ukraine Ultimatum abgelaufen - wie geht es jetzt weiter?
Das Ultimatum an Russland für eine Waffenruhe ist verstrichen. Was sind nun die Folgen? Und was hat es mit dem Treffen am Donnerstag in Istanbul auf sich? Ein Überblick über das aktuelle diplomatische Ringen um einen Frieden in der Ukraine.
Was ist die Ausgangslage?
Mit einem diplomatischen Vorstoß hatten die Ukraine und ihre europäischen Verbündeten Ende vergangener Woche versucht, Moskau unter Druck zu setzen, einen Waffenstillstand zu akzeptieren. Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Polen hatten bei einem Treffen in Kiew eine 30-tägige, vollständige und bedingungslose Waffenruhe ab Montag als Voraussetzung für Friedensgespräche genannt.
Sollte Russland bis Mitternacht in der Nacht zu heute nicht mit den Kampfhandlungen aufhören, würde es Konsequenzen geben. Im Interview mit den tagesthemen hatte Bundeskanzler Friedrich Merz erklärt, dann werde es weitere Sanktionen geben; ein neues Sanktionspaket sei bereits in Vorbereitung. Auch die US-Regierung forderte eine 30-tägige Waffenruhe.
Die Ukraine erklärte sich zu der Waffenruhe bereit. Russland wies das Ultimatum jedoch zurück und greift die Ukraine auch nach Ablauf der Frist weiterhin an.
Welche Konsequenzen wird es geben?
Die von Deutschland, Großbritannien und Frankreich gesetzte Frist ist in der Nacht von Montag auf Dienstag abgelaufen, bislang gibt es noch keine neuen Sanktionen. Allerdings hatten die Europäer auch vorher offen gelassen, wann diese in Kraft treten würden. Inzwischen aber hat Bundeskanzler Merz eine neue Frist gesetzt: "Wir sind uns einig, dass für den Fall, dass es in dieser Woche nicht zu einem wirklichen Fortschritt kommt, wir dann gemeinsam auch auf europäischer Ebene für eine deutliche Verschärfung der Sanktionen eintreten wollen", sagte er mit Blick auf mögliche Verhandlungen zwischen der Ukraine, den USA und Russland in Istanbul am Donnerstag. Diese Formulierung klingt allerdings unbestimmter als die vorherige Ankündigung neuer Sanktionen.
Weiterhin bleibt damit auch unklar, welche Sanktionen dies sein könnten. Außenminister Johann Wadephul hatte am Montag erklärt, die Bundesregierung werde nicht zögern, der Ukraine auch weitere Waffen zur Verfügung zu stellen. Die EU hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 16 Sanktionspakete gegen Russland auf den Weg gebracht. Für das 17. Paket, das schon vor dem Ultimatum in Vorbereitung war, gibt es Vorschläge der Europäischen Kommission. Sie sehen eine weitere Verschärfung des Vorgehens gegen die sogenannte russische Schattenflotte für den Transport von Öl und Ölprodukten vor. Zudem ist geplant, Dutzende weitere Unternehmen ins Visier zu nehmen, die an der Umgehung von bestehenden Sanktionen beteiligt sind oder die russische Rüstungsindustrie unterstützen.
Als unwahrscheinlich gilt, dass die EU an das eingefrorene russische Vermögen in den Mitgliedstaaten gehen wird. Der ukrainische Außenminister Andrii Sybiha schrieb auf X, er habe mit europäischen Ministern mögliche Schritte gegen Russland erörtert, darunter neue Sanktionen gegen den russischen Banken- und Energiesektor und die russische Zentralbank. Einzelheiten sind aber unklar.
Eine weitere Unwägbarkeit ist das Verhalten Ungarns. Die Regierung von Viktor Orban müsste einem weiteren Sanktionspaket zustimmen. In der Vergangenheit hat Ungarn öfter damit gedroht, weitere Sanktionen zu blockieren. Nach Medienberichten wird in der EU erneut ein solches Szenario befürchtet. In einzelnen Berichten ist davon die Rede, das 17. Sanktionspaket werde deshalb kaum über das vorhergehende hinaus gehen und eher einen Minimalkonsens darstellen.
Was hat es mit dem Treffen in Istanbul auf sich?
In der Nacht zu Sonntag hatte der russische Präsident Wladimir Putin sein Gegenangebot zu der Forderung nach einer Waffenruhe verkündet: Direkte Verhandlungen zwischen Moskau und Kiew in Istanbul. Die Gespräche sollten noch an diesem Donnerstag ohne Vorbedingungen beginnen.
Daraufhin erklärte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj überraschend: "Ich werde am Donnerstag auf Putin in der Türkei warten, persönlich."
Kurz vor der Einwilligung Selenskyjs hatte US-Präsident Donald Trump ihn über seine Online-Plattform Truth Social aufgefordert, dem Vorschlag Putins zuzustimmen - trotz seiner vorherigen Forderung nach einer Waffenruhe. Trump kündigte dann auch an, er werde vielleicht bei den Gesprächen in der Türkei dabei sein - was von Selenskyj begrüßt wurde.
Russland hat allerdings noch nicht erklärt, ob und auf welcher Ebene es an den Gesprächen teilnehmen wird. Eine Reaktion auf Selenskyjs Vorschlag blieb lange aus. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte aber zuletzt, dass Putin seinen Vorschlag für Gespräche in der Türkei "ernst meine". Heute teilte das russische Außenministerium dann mit, Außenminister Sergej Lawrow habe mit seinem türkischen Amtskollegen Hakan Fidan über Putins Vorschlag für Gespräche mit der Ukraine telefoniert. Weitere Details wurden nicht bekannt.
Falls Russland auf das Gesprächsangebot Selenskyjs nicht eingehen sollte, drohte Außenminister Wadephul Moskau heute erneut mit weiteren Schritten. Es werde in diesem Fall "auch Konsequenzen geben".
Selenskyj ist anscheinend weiterhin zu einem Treffen bereit - auch ohne eine vorherige Waffenruhe. Allerdings wolle er nur mit Putin direkt sprechen, nicht mit anderen Vertretern Russlands. Dies teilte ein Berater Selenskyjs der Nachrichtenagentur Reuters mit. Viele Beobachter gehen davon aus, dass Putin doch nicht bereit ist, Selenskyj zu treffen - und dass stattdessen Gespräche auf der Ebene von Sondergesandten stattfinden könnten.
Was wäre die Grundlage für Gespräche in Istanbul?
Das ist noch unklar. Putin sagte zwar, es solle keine Vorbedingungen geben. Später erklärte sein außenpolitischer Berater Juri Uschakow allerdings, dass Russland ein Grundgerüst an Forderungen habe. So sollen einerseits die Ergebnisse der vorherigen Verhandlungsrunde aus dem Jahr 2022 - ebenfalls in Istanbul - berücksichtigt werden, andererseits die Entwicklungen an der Front seither.
Im Entwurf eines Abkommens von 2022 sollte die Ukraine auf den NATO-Beitritt verzichten. Die Unterzeichnung scheiterte schließlich auch daran, dass Russland zwar Garantiemacht für die Sicherheit der Ukraine sein wollte, selbst aber ein Vetorecht gegen das Eingreifen anderer Staaten wie der USA oder Großbritanniens forderte. Damit wäre die Ukraine in völlige Abhängigkeit vom guten Willen im Kreml geraten.
Seitdem hat Russland sich in keiner Weise verhandlungsbereit gezeigt und beharrt auf den Maximalforderungen, die es seit Beginn seiner Invasion in die Ukraine erhebt.