Blick auf die AfD-Fraktion im Bundestag
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Gesichert rechtsextremistisch Was die AfD-Hochstufung für den Bundestag bedeutet

Stand: 03.05.2025 05:06 Uhr

Bei Wahlen und in den Umfragen ging es für die AfD zuletzt aufwärts. Nun hat der Verfassungsschutz die Partei als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft. Was macht das mit dem Bundestag und den Parteien? Ein Überblick.

Von Dominic Hebestreit, ARD Berlin

Was bedeutet die Hochstufung der AfD für den Parlamentsbetrieb?

Auf dem Papier ist die Frage schnell beantwortet: Formal ändert sich für die AfD im Bundestag nichts. Die Abläufe im Parlament bleiben gleich. Die Hochstufung hat keine unmittelbaren Konsequenzen für den Parlamentsbetrieb - weder nach der Geschäftsordnung noch nach der Hausordnung.

Die AfD bleibt unverändert im Bundestag - mit allen damit verbundenen Rechten. Der Umgang mit der gesichert rechtsextremistischen Partei ist vielmehr eine politische Frage, die die Fraktionen beantworten müssen.

AfD "gesichert rechtsextremistisch" - Was folgt aus dem Gutachten des Verfassungsschutzes?

Iris Sayram, ARD Berlin, tagesthemen, 02.05.2025 22:00 Uhr

Wie wollen die Parteien im Bundestag nun mit der AfD umgehen?

Zuletzt hatte es in den Reihen der Union eine kontroverse Diskussion um das Verhältnis zur AfD gegeben, angestoßen vom künftigen Fraktionschef Jens Spahn. Er hatte sich dafür ausgesprochen, "mit der AfD als Oppositionspartei so umzugehen in den Verfahren und Abläufen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch". Als eine Normalisierung der AfD wollte er das nicht verstanden wissen.

All jene in der Union, die den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD in Zweifel gezogen hatten, dürften nach dem Gutachten nun ein Argument weniger haben. "Die Brandmauer steht weiterhin", sagt CSU-Parteichef Markus Söder.

Unions-Innenexpertin Andrea Lindholz findet, dass das Gutachten Folgen haben sollte. "Jeder AfD-Abgeordnete muss sich vielmehr nun entscheiden, ob er zu unserer Grundordnung steht und aus der Partei austritt oder ob er prominenter Teil einer extremistischen Bestrebung sein will."

Den genauen Umgang wollen die neuen Koalitionspartner noch beraten. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch sagte am Rande des evangelischen Kirchentags: "Was klingt wie Rassismus, was aussieht wie Rassismus, ist am Ende Rassismus. Jetzt braucht es eine gemeinsame, entschlossene Antwort des Rechtsstaats." Ein Hinweis auf ein mögliches Verfahren für Sanktionen oder gar ein Parteiverbot.

Bei den Grünen lässt Irene Mihalic, erste parlamentarische Geschäftsführerin, keine Zweifel: "Wir werden weiterhin nicht politisch mit der AfD zusammenarbeiten. Sie verfolgen politisch diametral andere Ziele als die Grüne Bundestagsfraktion."

Auch für Christian Görke, erster parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion Die Linke, ist eine Zusammenarbeit einmal mehr ausgeschlossen. "Die AfD - und das hat die bisherige Zeit im Parlament gezeigt - will jedes Mandat und jedes Amt für ihre demokratiefeindliche, rassistische und fremdenfeindliche Politik missbrauchen und findet in der Linken immer einen entschiedenen Gegner."

Und genau das ist es, was den Bundestag nun beschäftigt: Welche herausgehobenen Posten kann die AfD besetzen - oder auch nicht.

Wie geht es weiter bei der Wahl von Ausschussvorsitzenden?

In den Ausschüssen findet ein Großteil der parlamentarischen Arbeit statt. Hier werden Gesetze erarbeitet und diskutiert, ehe der Bundestag darüber entscheidet. Zuletzt hatte es vermehrt Stimmen gegeben, der AfD auch die Posten von Ausschussvorsitzenden zuzubilligen. Sie werden in der Regel von den Ausschussmitgliedern gewählt.

In der Vergangenheit hatte die AfD schon solche Ämter besetzt, etwa den Vorsitz im Justiz-Ausschuss, den der Abgeordnete Stephan Brandner wegen umstrittener Social-Media-Beiträge räumen musste. Seither war die AfD mit eigenen Kandidaten wiederholt gescheitert - auch bei der Besetzung eines Bundestagsvizepräsidenten.

Traditionell besetzt die größte Oppositionspartei den wichtigen Haushaltsausschuss, in dem der Etat beraten wird. Nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts scheint es äußerst unwahrscheinlich, dass die AfD hier zum Zug kommen könnte. Die parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, meint nach der Hochstufung der AfD durch den Verfassungsschutz, für sie bestätige sich einmal mehr, "dass Vertreter der AfD im Bundestag für Ämter nicht wählbar sind und Demokratinnen und Demokraten nicht repräsentieren können".

Die CSU-Innenpolitikerin Lindholz argumentiert, "eine Vertretung des Parlaments durch Abgeordnete einer Partei, die die freiheitliche demokratische Grundordnung missachtet, würde dem Ansehen des Bundestages massiv schaden".

Bei den Grünen verweist Irene Mihalic auf das Verfahren und die freie Entscheidung der Abgeordneten. Sowohl Ausschussvorsitzende als auch Bundestagsvizepräsidenten brauchen für ihre Wahl eine Mehrheit der Stimmen im Ausschuss beziehungsweise Plenum. "Dabei handelt es sich um individuelle Entscheidungen der Abgeordneten. Durch die Hochstufung der AfD werden sicherlich noch mehr Abgeordnete in Frage stellen, ob sich AfD-Abgeordnete für solche Posten eignen."

Beantragt der Bundestag jetzt ein AfD-Verbot?

Die AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla wollen sich gegen die Entscheidung des Verfassungsschutzes juristisch wehren. Sie sehen in dem Gutachten und der Höherstufung einen "zielgerichtete Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess", der erkennbar politisch motiviert sei. Die AfD hatte schon gegen die Einstufung als Prüffall geklagt und war gescheitert. Bei der Frage, ob Einstufung als Verdachtsfall rechtmäßig war, steht noch das letztinstanzliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig aus. Aber die Vorinstanzen hatten die Einschätzung des Verfassungsschutzes bestätigt.

Die Hochstufung der AfD-Gesamtpartei als "gesichert rechtsextremistisch" bedeutet nicht, dass jetzt automatisch ein Verbotsverfahren folgt. Allerdings bekommt die Debatte darum mit dem Gutachten nun Auftrieb. Ein solches Verbot könnte entweder die Bundesregierung, der Bundesrat oder der Bundestag beim Bundesverfassungsgericht beantragen. Im Parlament mehren sich parteiübergreifend die Stimmen, diesen Weg zu gehen.

Jannik Pentz, ARD Berlin, über ein mögliches Parteiverbot der AfD

tagesschau, 03.05.2025 13:45 Uhr

Laut Markus Ogorek, Rechtswissenschaftler an der Universität Köln, haben die Parteien "bereits im Hinblick auf die Einstufung der AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall bestimmte Konsequenzen gezogen". Das betreffe zum Beispiel die Frage, ob die AfD einen Bundestagsvizepräsidenten stellen dürfe. "So viel Handhabe besteht eigentlich aus Sicht der etablierten Fraktionen nicht mehr. Denn natürlich stehen der AfD - solange sie nicht verboten ist - Oppositionsrechte zu." Er könne sich aber vorstellen, dass die Entwicklung dem einen oder anderen Abgeordneten, der sich konsequent gegen ein Parteiverbotsverfahren gestellt habe, zu denken gebe.

Es gibt aber auch Vorbehalte gegen ein AfD-Verbot. Der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz warnt, man solle nichts übers Knie brechen.

Im Januar gab es einen Versuch, aus der Mitte des Bundestages heraus einen solchen Verbotsantrag auf den Weg zu bringen. Es fanden sich nicht genug Unterstützer. Nun hat die Diskussion neue Nahrung bekommen.

Selbst wenn es für einen Verbotsantrag keine Mehrheit geben sollte, könnte es dennoch eng werden für die AfD. Denn seit einer Grundgesetzänderung 2017 kann "Parteien, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgerichtet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden", die staatliche Finanzierung aus Steuergeldern gestrichen werden.

Ob es dafür reicht, müssen die Verantwortlichen entscheiden. Die politische Auseinandersetzung mit der AfD ersetzt das allerdings nicht.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 03. Mai 2025 um 16:00 Uhr.