
Mecklenburg-Vorpommern 150.000 Euro aus Aserbaidschan: Neue Hinweise im Fall Strenz
Hat die verstorbene Bundestagsabgeordnete Karin Strenz aus Mecklenburg-Vorpommern Bestechungsgelder aus Aserbaidschan angenommen? In einem Prozess sind jetzt neue Hinweise dazu aufgetaucht.
Sie verstarb schon vor vier Jahren, doch der Name Karin Strenz fällt immer wieder beim Prozess am Oberlandesgericht München. Vor allem ihre Kurznachrichten, hunderte von SMSen, sind dabei von Bedeutung und dienen der Anklage als Beweismittel. Die CDU-Politikerin soll laut Generalstaatsanwaltschaft 150.000 Euro an Schmiergeld von Aserbaidschan angenommen haben. Mit diesem sechsstelligen Betrag soll sich das Regime des ölreichen Staates die Unterstützung der Bundestagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern erkauft haben. Strenz war 2021 während eines Fluges von Kuba nach Deutschland verstorben - zu einer Zeit, als die Vorwürfe in der Aserbaidschan-Affäre gegen sie gerade auf dem Höhepunkt waren.
Ehemalige Unions-Abgeordnete angeklagt
Zwei ehemalige Bundestagsabgeordnete der Union stehen seit Januar wegen des Verdachts der Bestechlichkeit in München vor Gericht: Eduard Lintner (CSU) und Axel Fischer (CDU). Lintner soll aus Aserbaidschan gut vier Millionen Euro erhalten haben, um damit andere Abgeordnete zu beeinflussen. Sie sollten in der parlamentarischen Versammlung des Europarates im Sinne Aserbaidschans abstimmen, vermutet die Staatsanwaltschaft. Einen Teil des Geldes soll Lintner eben auch an Strenz weitergegeben haben.
Aserbaidschan leugnete politische Gefangene im eigenen Land
Strenz war nicht nur Bundestagsabgeordnete, sondern auch Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg. Ein Gremium, das vor allem die Einhaltung der Menschenrechte in europäischen Staaten überwachen soll. Mitglied des Europarats ist auch das rohstoffreiche Land Aserbaidschan im Südkaukasus. Regiert wird es vom autokratischen Präsidenten Ilham Alijew, der Regimekritiker kurzerhand wegsperren lässt. Als in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats 2013 offiziell festgestellt werden soll, dass es politische Gefangene in Aserbaidschan gibt, hilft Strenz dem Regime aus der Klemme.
Strenz verhilft Aserbaidschan zu Triumph im Europarat
In der SWR-Dokumentation "Am Abgrund - Kampf um Rohstoffe" aus dem Jahr 2024 erinnert sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe. Strenz habe geholfen, den Bericht zu politischen Gefangenen nieder zu stimmen. Danach hätten die Vertreter Aserbaidschans in Europarat triumphierend gefeiert. Danach werden erste Stimmen laut, Strenz könnte von Aserbaidschan Geld für ihr Abstimmungsverhalten bekommen haben.
150.000 Euro Bestechungsgeld für Strenz?
Für die Generalstaatsanwaltschaft München gilt es als erwiesen, dass Strenz 150.000 Euro an Bestechungsgeldern bekommen hat - vom ehemaligen CSU-Politiker Eduard Lintner und zwar über dessen Firma "Line M Trade". Offiziell wurden die Zahlungen als Honorar für Beraterverträge deklariert. Lintner selbst soll insgesamt vier Millionen Euro von Aserbaidschan erhalten und an Politiker verteilt haben. Auch Strenz war darunter. Das Geld floss auf unterschiedlichen Wegen, wie der Journalist Daniel Streib die Aussagen im Gericht wiedergibt: "Ein Teil davon durch einen Beratervertrag, ein anderer Teil über Bargeld, das ihr in Straßburg in Hotels übergeben worden sein soll." Bargeld habe wohl immer eine wichtige Rolle in der Aserbaidschan-Affäre gespielt.
Bewerbungsschreiben an den Präsidenten
Um in den Kreis der Schmiergeldempfänger aufgenommen zu werden, hatte Strenz sogar laut Staatsanwaltschaft ein Bewerbungsschreiben an den Präsidenten Aserbaidschans, Ilham Alijew verfasst: "Sie sicherte in diesem Schreiben ihre 'unermüdliche und uneingeschränkte Unterstützung' zu. Das Schreiben diente der Vorbereitung der Abrede, wonach die Verstorbene Strenz Geld erhalten und im Gegenzug im Bundestag und in der PACE (engl. Abkürzung für Parlamentarische Versammlung des Europarats) aserbaidschanfreundliche Positionen vertreten soll." (Quelle: Generalstaatsanwaltschaft München)
Shoppen statt Wahlbeobachtung
Für den Europarat war Strenz auch als Wahlbeobachterin in Aserbaidschan. In einem Interview sagt Strenz selbst dazu: "Im Jahre 2010 die erste Reise geplant zur Wahlbeobachtung nach Aserbaidschan. Und das war der erste Besuch. Und seitdem habe ich dort auch ein bisschen mein Herz verloren." Und auch 2015 sollte Strenz die Wahlen dort beobachten. Genau wie der Abgeordnete Frank Schwabe – zwischen seinen Besuchen in verschiedenen Wahllokalen der Hauptstadt Baku machte er eine interessante Beobachtung: Frau Strenz sei am Wahltag schwer bepackt mit Einkaufstüten durch das Zentrum Bakus gelaufen.
"Frau Strenz war also shoppen - am Tag der Wahlbeobachtung", kritisiert Schwabe. "Und war sich am nächsten Tag trotzdem ganz sicher, dass das ein weiterer wichtiger Schritt hin zu freien und fairen Wahlen war. Das war natürlich gar nichts davon."
Was passiert mit dem Bestechungsgeld?
Der Name Strenz ist auch geschrieben im Gerichtssaal in München zu finden – allerdings meint das Namensschild auf einem Nebentisch den Ehemann der Politikerin. Sollte sich der Vorwurf der Korruption im Urteil bewahrheiten, will die Staatsanwaltschaft das Bestechungsgeld, also 150.000 Euro, beim Witwer einziehen. Mit einem Urteil wird Ende August gerechnet. Bis dahin gilt auch für Karin Strenz weiter die Unschuldsvermutung.
Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 30.04.2025 | 14:00 Uhr