
Kanzlerwahl ++ Linnemann hofft auf neuen Wahlgang noch heute ++
CDU-Generalsekretär Linnemann hofft auf einen zweiten Anlauf bei der Kanzlerwahl noch heute. SPD-Politikerin und Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Schwesig nennt die gescheiterte Kanzlerwahl "unverantwortlich".
Die wichtigsten Entwicklungen im Liveblog:
- Linnemann hofft auf zweiten Wahlgang noch heute
- Fraktionen beraten über weiteres Vorgehen
- Sitzung zur Kanzlerwahl im Bundestag gestartet
- Frei: "Großes Bewusstsein ob der Herausforderungen"
- Industrieverband BDI fordert Planungssicherheit
Die Grünen wollen CDU-Chef Friedrich Merz nach Angaben der Fraktionsspitze mit ihren Stimmen nicht zur Kanzlerschaft verhelfen. "Wir sagen ganz klar: Bündnis 90/Die Grünen werden Friedrich Merz nicht wählen", sagte Fraktionschefin Britta Haßelmann nach einer längeren Sitzung ihrer Fraktion im Bundestag. "Selbstverständlich werden wir einem Kanzler nicht unser Vertrauen aussprechen, von dem wir denken, dass er mit dem, was er jetzt in den nächsten Wochen und Monaten plant, in eine falsche Richtung für unser Land geht."
Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil seien nach dem gescheiterten ersten Wahlgang am Zug, für die nötige Mehrheit bei der Wahl des Bundeskanzlers in den eigenen Reihen zu sorgen, erklärte Haßelmann.
Niedersachsens SPD-Ministerpräsident Stephan Weil hat sich "sehr besorgt" über die gescheiterte Kanzlerwahl von CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag gezeigt. Die fehlenden Stimmen für Merz seien "gerade in der aktuellen Situation eine Belastung für unsere Demokratie", erklärte er.
"Wechselseitige Vorwürfe helfen dabei nicht weiter." Auf allen Abgeordneten der beiden potentiellen Regierungsfraktionen aus Union und SPD liege jetzt eine große Verantwortung, so Weil. "Unser Land braucht eine handlungsfähige Regierung, und zwar schnell."
Der Sozialflügel der CDU hat die gescheiterte Kanzlerwahl von Friedrich Merz als Katastrophe für das ganze Land bezeichnet. Deutschland verliere derzeit 10.000 Industriearbeitsplätze pro Monat und brauche dringend eine stabile Regierung, sagte der Vize-Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Christian Bäumler, der Nachrichtenagentur dpa.
Das Scheitern im ersten Wahlgang habe Merz mit Blick auf seine künftig angedachte Rolle nicht gerade gestärkt, etwa wenn er als Kanzler bald auf internationaler Bühne auftreten werde und Präsidenten wie Macron und Trump treffen müsse. "Er muss damit rechnen, dass ihm die Frage gestellt wird, wie stabil seine Regierung ist und wie belastbar seine Aussagen sind."
Hessens Ministerpräsident Boris Rhein hat an die Bundestagsangeordneten von CDU/CSU und SPD appelliert, in einem zweiten Wahlgang CDU-Chef Friedrich Merz zum Kanzler zu wählen. "Wir erleben eine historische Stunde für unser Land. Deutschland braucht jetzt ein Votum der Verantwortung", schreibt der CDU-Politiker. Man brauche ein "Signal der Stabilität für unsere Demokratie". Die Menschen erwarteten einen Politikwechsel.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) wertet das Scheitern von CDU-Chef Friedrich Merz in der ersten Runde der Kanzlerwahl als verheerendes Signal. Es sei eine denkbar schlechte Nachricht für die Wirtschaft, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. "Statt Klarheit herrscht weiter Unsicherheit. Die dringend benötigte Stabilität lässt weiter auf sich warten." Die Wirtschaft könne sich keine lange Hängepartie leisten. "Uns droht ein drittes Jahr ohne Wachstum: Unternehmen verschieben weiter Investitionen, Betriebe schließen, Arbeitsplätze geraten stärker unter Druck." Ein politischer Kurswechsel sei überfällig.
Das Scheitern von Friedrich Merz im ersten Wahlgang wirbelt auch seine Pläne für die nächsten Tage durcheinander. Er wollte die Präsidenten in Polen und Frankreich besuchen. Zum zweitägigen Treffen der neuen EU-Außenminister sollte für Deutschland außerdem der neue Amtsinhaber Johann Wadephul reisen.
Der europäische politische Betrieb stehe durch die Turbulenzen in Deutschland aber nicht still, berichtet ARD-Korrespondent Christian Feld aus Straßburg. SPD-Abgeordnete aus dem Europaparlament würden aber wiederholt mit der Frage konfrontiert: "Was ist in Deutschland los?" Die EU-Kommission habe aber die klare Regel, sich erst zu äußern, wenn eine Regierungsbildung abgeschlossen ist, so Feld.
Die zahlreichen Krisen in der Welt verlangten aber eine geschlossene EU. Das beinhalte, dass der größte Mitgliedsstaat Deutschland mit der größten Wirtschaft ebenfalls stark sein müsse und mit anpacken könne, sagte Feld. "Große Grundsatzentscheidungen trifft eine geschäftsführende Bundesregierung nicht."
Nach Aussage der Grünen-Politikerin Renate Künast herrscht in ihrer Bundestagsfraktion nach dem Scheitern von Friedrich Merz bei der Kanzlerwahl Sprachlosigkeit. Zugleich offenbare das Ergebnis eine grundsätzliche Schwäche des CDU-Kanzlerkandidaten: "Er bindet nicht zusammen", sagte Künast der Nachrichtenagentur KNA. " Überdies habe er in den eigenen Reihen Erwartungen geschürt, die er nicht einhalten könne. "Er hat seine Parteifreunde auf den Baumwipfel getrieben und kann sie jetzt nicht mehr in die Realität zurückholen." Das führe zu Frustration und Entfremdung.
Was bedeutet die Nichtwahl von Merz?
Wie geht es nun nach der Niederlage von Friedrich Merz im ersten Wahlgang weiter? Was passiert bei einem erneuten Scheitern? Und hat Deutschland jetzt noch einen Bundeskanzler? Frank Bräutigam und Kolja Schwartz geben Antworten auf wichtige Fragen zur Nichtwahl von Merz.
Nach dem gescheiterten Wahlgang bei der Kanzlerwahl ist die Wirtschaft besorgt. Es zeige sich, dass der Koalitionsvertrag teils auf tiefe Ablehnung stoße, so DIW-Chef Fratzscher. Der DAX reagiert mit Kursverlusten.
Union und SPD lassen juristisch prüfen, ob nach dem gescheiterten ersten Wahlgang bei der Kanzlerwahl noch heute ein zweiter Wahlgang möglich ist. Das Berichtet die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Fraktionskreisen. Nach aktueller Einschätzung von Bundespräsidialamt, Bundestagsverwaltung und Justizministerium sei das verfassungsrechtlich zulässig, hieß es weiter. Union, SPD, Grüne und Linke berieten nun gemeinsam den weiteren Prozess.
Neben der Linken- ist auch die Grünen-Bundestagsfraktion dazu bereit, einer Fristverkürzung für die rasche Anberaumung eines weiteren Wahlgangs zuzustimmen. Für die Fristverkürzung wäre im Plenum eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig, wofür neben den Stimmen von Union und SPD auch die Zustimmung von Linken und Grünen nötig wäre. Die Grünen wären dazu bereit, sagte Parteichef Felix Banaszak. "Wir werden nicht mit Verfahrenstricks die Bildung einer neuen Regierung verhindern", sagte er.
Den CDU-Kandidaten Merz wollten die Grünen weiterhin nicht unterstützen. "Eine Regierung muss eine Mehrheit aus sich selbst haben", sagte Banaszak. "Es ist die staatspolitische Verantwortung der Opposition, mit Nein zu stimmen."
24 mal sofort ein Ja - bei Merz nicht
Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde bei der Kanzlerwahl die notwendige Mehrheit verfehlt. Sehr knapp war es aber auch früher schon einige Male. Ein Rückblick auf die Wahlgänge seit 1949.
Nach der gescheiterten Kanzlerwahl von Friedrich Merz im Bundestag hat BSW-Chefin Sahra Wagenknecht persönliche Konsequenzen für den CDU-Vorsitzenden gefordert. "Es wäre ein guter Tag für Deutschland, wenn es dabei bliebe und Friedrich Merz kein Bundeskanzler wird", sagte Wagenknecht dem Nachrichtenportal t-online. "Friedrich Merz kann es einfach nicht und sollte daraus die Konsequenzen ziehen."
Sie sprach von einer "krachenden Niederlage" auch für SPD-Chef Lars Klingbeil, der in der geplanten schwarz-roten Bundesregierung als Vizekanzler und Finanzminister vorgesehen ist. Mit Blick auf das im März beschlossene Finanzpaket für Verteidigung und die vorerst gescheiterte Wahl von Merz am Dienstag sagte Wagenknecht nun: "Diese schwarz-rote Aufrüstungskoalition ist eine Totgeburt."
Söder mahnt zur Besonnenheit
Der CSU-Vorsitzende Markus Söder hat nach der im ersten Versuch gescheiterten Kanzlerwahl von CDU-Chef Friedrich Merz zur Besonnenheit gemahnt. "Es ist jetzt der falsche Zeitpunkt zu streiten und gar eine Schuldzuweisung zu machen", sagte Söder nach einer Sitzung seines bayerischen Kabinetts in München. "Es geht jetzt nicht um den Einzelnen, es geht um uns alle." Wichtig sei, vernünftig und ruhig zu bleiben.
Sein dringender Appell an die Abgeordneten sei nun, gemeinsam eine stabile Regierung für Deutschland auf den Weg zu bringen. "Noch ist alles lösbar, noch ist alles heilbar." Der bayerische Ministerpräsident warnte zugleich nachdrücklich vor einem Scheitern von Merz. Dies könne "am Ende ein Vorbote von Weimar sein", sagte Söder.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hofft auf einen zweiten Wahlgang noch am Dienstag. Er setze darauf, "dass wir heute noch in den zweiten Wahlgang gehen und erfolgreich sind", sagte Linnemann im Sender Phoenix. Linnemann schloss aus, dass die Union ihren Kanzlerkandidaten ausgewechselt. Merz sei "der richtige Kandidat zur richtigen Zeit".
Merz wird laut Spahn erneut antreten
Trotz der Wahlschlappe im ersten Durchgang wird Friedrich Merz laut Unionsfraktionschef Jens Spahn erneut antreten. "Wir werden als Koalition, Union und SPD, Friedrich Merz erneut für den zweiten Wahlgang vorschlagen", sagt der neue Fraktionschef. "Wir werden gemeinsam geschlossen in den zweiten Wahlgang gehen." Merz habe in der Fraktion stehenden Applaus erhalten. Man kläre gerade, ob der Wahlgang erst in einigen Tagen oder früher stattfinde.
Die Vorsitzende der Linken, Ines Schwertner, hat erklärt, ihre Partei sei bereit für Gespräche mit der Union, um einen neuen Wahlgang möglicherweise schon heute stattfinden zu lassen. "Es gibt Gespräche, und es gibt zumindest auch die Möglichkeit, den zweiten Wahlgang heute durchzuführen", sagte Schwertner in der ARD. Die Linke sei zu diesen Gesprächen bereit. "Weil wir natürlich auch wollen, dass es ein normales Verfahren gibt, dass sich nicht die AfD-Abgeordneten als diejenigen inszenieren können, die hier den Kanzler wählen." Sie betonte allerdings, dass die Linke Merz nicht zum Kanzler wählen werde.
Nach dem gescheiterten ersten Wahlgang von CDU-Chef Friedrich Merz bei der Kanzlerwahl sieht der designierte Außenminister Johann Wadephul ihn nach eigenen Worten nicht politisch beschädigt. "Also es hat doch schon zahlreiche Wahlgänge von Ministerpräsidenten in ganz Deutschland gegeben, wo es im ersten Wahlgang nicht gereicht hat. Auch in anderen Staaten ist das schon passiert. Und wer redet heute noch darüber, ob es im ersten oder zweiten Wahlgang geklappt hat", sagte der CDU-Politiker
Am Ende sei die Wahl eine Gewissensentscheidung, die sei "bedauerlicherweise so ausgefallen, wie sie ausgefallen ist".
Der Verband der Jungunternehmer spricht von einem fatalen Signal. "In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit, wachsender Bürokratie, internationaler Standortkonkurrenz sowie internationaler Kriege und Konflikte braucht Deutschland eine verlässliche Führung", sagt Verbandschef Thomas Hoppe. "Parteipolitische Ränkespiele gefährden den Wohlstand unseres Landes, mehren die Politikverdrossenheit und sind Wasser auf die Mühlen der Extremisten im Land."
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat nach dem Scheitern von CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Wahlgang der Kanzlerwahl eine schnelle Entscheidung zum weiteren Vorgehen gefordert. "Wir haben natürlich Interesse daran, dass es so schnell wie möglich einen zweiten Wahlgang gibt. Die Welt dreht sich weiter", sagte er im ARD-Interview im Bundestag. "Wir stehen geschlossen hinter Friedrich Merz", erklärte Linnemann. Europa schaue auf Deutschland, und man könne sich nicht erlauben, noch tagelang zu warten. "Wir brauchen jetzt Klarheit."
Das weitere Vorgehen werde gerade juristisch fleißig geprüft, "weil die Erfahrungswerte da nicht so ausgeprägt sind". Man überprüfe, ob der zweite Wahlgang bereits heute noch möglich ist, "man spricht mit anderen Fraktionen. Ich finde spätestens morgen, aber Freitag wäre mir schon zu lang."
Die schwarz-rote Koalition sei sich jedoch ihrer Verantwortung bewusst, betonte Linnemann. "Das ist kein Spaß hier." Er räumte ein, dass es kein einfacher Start für die neue Regierung sei.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig hat entsetzt auf die gescheiterte Kanzlerwahl von CDU-Chef Friedrich Merz im Bundestag reagiert. "Was heute passiert ist, ist unverantwortlich", sagte die SPD-Politikerin auf der Fraktionsebene des Bundestags dem Sender Welt. Sie habe aber "keinen Anlass zur Spekulation", aus welchen Fraktionen die nötigen Stimmen für Merz fehlten. "Ich vertraue all unseren Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion", betonte sie.
Die Linke plädiert für eine zweite Runde der Kanzlerwahl im Bundestag bereits am Mittwoch. Der Linken-Abgeordnete und Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow erteilte Überlegungen für eine neue Wahlrunde erst am Freitag mit Hinweis auf den geplanten Bundesparteitag der Linken eine Absage. "Um es deutlich zu sagen, die ungeschriebenen Regeln des Deutschen Bundestages haben immer so funktioniert, dass man Rücksicht auf die Fraktionen im Hause genommen hat, die Parteitage haben, dass an diesen Tagen keine Abstimmungen stattfinden, die den Parteitag sprengen", sagte Ramelow im Sender Phoenix.
In der Zentrale der Unions-Fraktion im Bundestag hat es Treffen zwischen den Unions- und SPD-Spitzen gegeben, berichtet ARD-Korrespondent Demian von Osten aus Berlin. Auch Friedrich Merz und Lars Klingbeil hätten teilgenommen, wollten sich anschließend allerdings nicht äußern. Bevor Merz den Raum betreten habe, sei heftig diskutiert worden. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner hat zu einem zweiten Wahlgang am morgigen Mittwoch eingeladen, hieß es in Berlin.
Der Deutsche Bundestag will seine nach der gescheiterten Kanzlerwahl unterbrochene Sitzung am Mittag wieder aufnehmen. Der Wiederaufnahme seien Beratungen der Bundestagspräsidentin mit den Fraktionen vorangegangen, hieß es aus Bundestagskreisen.
Nach dem Scheitern von Friedrich Merz bei der Kanzlerwahl zeigt sich der Vorsitzende der Linken, JAn van Aken, überrascht. "Wenn er nicht mal seine eigenen Leute hinter sich vereinen kann, nicht mal hier in der Berliner Blase, wie soll er dann das Land vereinen?", sagte er der ARD. Dass er offenbar in den eigenen Reihen solche Spuren hinterlassen habe, sei ein "hartes Ding", so van Aken. Morgen oder bis spätestens zum Ende der Woche werde neu gewählt. "Aber natürlich muss sich die CDU jetzt fragen, ob Merz der Richtige ist", sagte der Linken-Chef. "Von mir aus kann Kanzler Merz heute abtreten."
Nach dem Scheitern von Merz wird über die Ursache spekuliert und aus welchen Reihen die Abweichler gekommen sein könnten. Aus Kreisen der Unionsfraktion hieß es, die Union steht hinter Merz, das sei die DNA der Union. Fehlende Stimmen könnten nur von der SPD kommen. Im Fraktionssaal der Union habe es minutenlangen Applaus für Merz gegeben.
Kreise der SPD-Fraktion hingegen erklärten dem ARD-Hauptstadtstudio, man habe nicht den geringsten Hinweis, dass die SPD nicht vollständig für Merz gestimmt hat. 85 Prozent beim Mitgliedervotum seien ein Auftrag an die Fraktion und sie erfülle diesen. "Auf uns ist Verlass."
Nach dem Scheitern im ersten Wahlgang müsse Friedrich Merz nun den zweiten Versuch einer Kanzlerwahl starten - womöglich mit "weichen und zitternden Knien", sagte Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele der ARD. Es herrsche große Ratlosigkeit. "Es ist die große Frage: Wie konnte es dazu kommen?", so Römmele. Jeder habe darauf gewartet, dass Deutschland mit einer neuen Regierung handlungsfähig werde und auch international wieder auftrete. Das gelte auch für Frankreich und Polen, denen Merz nach den ursprünglichen Plänen schon morgen einen Besuch abstatten wollte. "All das muss jetzt erstmal verschoben werden."
AfD: Merz hat Quittung bekommen
Die AfD hat die gescheiterte Kanzlerwahl von CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Durchgang begrüßt. "Das zeigt, auf welch schwachem Fundament die kleine Koalition aus Union und von den Bürgern abgewählter SPD gebaut ist", schrieb Parteichefin Alice Weidel bei X.
"Das ist erstmal eine gute Sache. Denn dieses Ausmaß von Wahlbetrug, so Kanzler zu werden, und dann einfach, dass das durchgeht - das darf nicht sein", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Bernd Baumann, in einem Video auf der Plattform. Merz sei von vornherein beschädigt. Er habe "die Quittung bekommen für seine ganzen Machenschaften im Vorfeld, für den ungeheuren Wahlbetrug, den es vorher überhaupt noch nie so gegeben hat". Baumann fügte ebenfalls hinzu, der nächste Wahlgang sei wahrscheinlich am Mittwoch.
Während er auf X den angeblichen Wahlbetrug nicht näher ausführte, wurde im Interview mit ARD-Korrespondent Matthias Deiß, dass er damit Aussagen der CDU im Wahlkampf meint - etwa die Schuldenbremse nicht anzutasten oder Asylbewerber an den Grenzen abzuweisen -, die er allesamt gebrochen sieht.
Laut CDU heute kein neuer Wahlgang
Nach dem Scheitern von CDU-Chef Friedrich Merz bei der Wahl zum neuen Kanzler im ersten Durchgang wird es heute keinen neuen Wahlgang geben. Das bestätigten die stellvertretende CDU-Vorsitzende Silvia Breher und der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Steffen Bilger. Der nächste Wahlgang könnte am Mittwoch stattfinden.
Die ehemalige Grünen-Bundesministerin Renate Künast hat in der ARD erklärt, "das Land brauche nun Entscheidungen". "Es wäre Kaffeesatzleserei, zu sagen, was passiert ist", so Künast weiter. "Aber wie verärgert müssen Leute sein, dass sie nach den Koalitionsverhandlungen die Regierungsbildung platzen lassen." Es seien so viele Fragen offen, und Deutschland habe eine so wichtige Rolle in Europa. "Da bin ich gerade sprachlos", sagte Künast. "Wenn sie das schon nicht hinbekommen haben, wie soll es dann werden."
Der ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam hat skizziert, wie das weitere Vorgehen nach dem Scheitern von Friedrich Merz aussieht. Doch das sei gar nicht so einfach vorherzusagen. "Dass die Wahl geheim abgelaufen ist, macht es so schwierig zu gucken, woran hat es denn nun eigentlich gelegen", erklärte Bräutigam.
Das Grundgesetz sehe vor, dass Phase zwei beginne, so Bräutigam weiter. Der Bundestag habe nun 14 Tage Zeit, erneut mit Kanzlermehrheit einen Kanzler zu wählen. Der Vorschlag müsse jetzt aber nicht mehr vom Bundespräsidenten, sondern könne auch aus der Mitte des Bundestags kommen. Mehrere Wahlgänge seien nun möglich.
Friedrich Merz ist trotz Mehrheit von Union und SPD im Bundestag im ersten Durchgang bei der Kanzlerwahl gescheitert. Grünen-Politiker Anton Hofreiter erklärte im Interview mit der ARD: "Es gab Stimmen, die das befürchtet haben, innerhalb von Union und SPD".
Merz habe in beiden Fraktionen Gegner, insbesondere nach seiner "AfD-Aktion", sagt Hofreiter. An erster Stelle seien nun Union und SPD gefragt, um zu klären, woher die Abweichler kamen - und ob sie glauben, die nötige Mehrheit noch realisieren zu können. "Friedrich Merz geht, wenn er überhaupt noch Kanzler wird, mit einer riesigen Hypothek in dieses Amt", so der Grünenpolitiker im ARD-Interview. Die Sitzung im Bundestag ist vorerst unterbrochen.
Nach dem überraschenden Scheitern von CDU-Chef Friedrich Merz im ersten Durchgang bei der Wahl zum Kanzler beraten nun die Fraktionen über die aktuelle Lage. Merz und der SPD-Co-Vorsitzende Lars Klingbeil hatten am Montag betont, dass sie fest mit einer klaren Mehrheit der künftigen Regierungsfraktionen bei der Kanzlerwahl rechneten. Bei Sonderfraktionssitzungen am Dienstagmorgen hatten sowohl Union als SPD festgestellt, dass alle Abgeordneten anwesend sind.
Merz im ersten Wahlgang durchgefallen
CDU-Chef Friedrich Merz ist bei der Kanzlerwahl im Bundestag im ersten Wahlgang durchgefallen. Er erhielt in geheimer Abstimmung 310 Ja-Stimmen und damit sechs weniger als die nötige Mehrheit von 316. Die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD haben zusammen 328 Sitze im Parlament.
Bei der Wahl des Bundeskanzlers sind neben hochrangigen Politikern auch Familienmitglieder des designierten neuen Regierungschefs Friedrich Merz (CDU) und Prominente anwesend. Auf der Besuchertribüne im Bundestag zu sehen waren unter anderem Ehefrau Charlotte Merz und die Töchter Carola Clüsener und Constanze Merz.
Zur Eröffnung der Sitzung schickte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner einen besonderen Gruß an die Familienmitglieder. Diejenigen, die sich für den politischen Weg entschieden, übten auch immer Einfluss auf das Leben derer aus, die ganz nah mit ihnen lebten, sagte die CDU-Politikerin. Klöckner begrüßte auf der Tribüne außerdem die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), die neben der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Platz genommen hatte. Dahinter zu sehen war Astronaut Alexander Gerst. Auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf zählt zu den Gästen.
Auch SPD meldet Vollzähligkeit
Die SPD-Fraktion meldet ebenfalls Vollzähligkeit ihrer 120 Abgeordneten. Die sei das Ergebnis eines sogenannten Zählappells gewesen, heißt es aus der Fraktion. Mit der Union sind es also 328 Abgeordnete, 316 sind für die Kanzlerwahl nötig.
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann setzt auf Tempo bei wichtigen ersten Entscheidungen der künftigen schwarz-roten Bundesregierung. "Wenn wir jetzt nicht am Anfang liefern, werden die Leute uns nicht vertrauen", sagte er kurz vor der Kanzlerwahl im Bundestag dem TV-Sender Phoenix. Deswegen seien die ersten 100 Tage entscheidend.
Die Zeit bis zur parlamentarischen Sommerpause Mitte Juli werde vermutlich die wichtigste für die komplette Wahlperiode, sagte Linnemann. "Was da zugeknöpft wird, ist entscheidend für den Erfolg." Mit Blick auf den wohl künftigen Kanzler Friedrich Merz (CDU) sagte er: "Ich glaube fest daran, dass er dieses Land überraschen wird." Als eine Haupteigenschaft von Merz nannte Linnemann Führungsstärke. "Er wird einer der erfolgreichsten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland werden." Das sei "eine kecke These", aber er gebe sie aus.
Genau sechs Monate nach dem Scheitern der Ampel ist es soweit - die Sitzung zur Kanzlerwahl im Bundestag hat begonnen. CDU-Chef Friedrich Merz soll heute zum 10. Kanzler der Bundesrepublik gewählt werden. Anschließend nimmt die neue schwarz-rote Bundesregierung ihre Arbeit auf.
CDU-Chef Friedrich Merz kann bei der Kanzlerwahl darauf setzen, dass alle 208 Unionsabgeordneten anwesend sind. Nach einem Zählappell teilte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger (CDU), nach Angaben von Sitzungsteilnehmern mit, die Union sei vollzählig. Bei der Wahl des neuen Fraktionsvorsitzenden Jens Spahn (CDU) am Vortag hatten mehrere Abgeordnete noch krankheitsbedingt gefehlt. Merz hatte deutlich gemacht, dass er mit einer Wahl zum Kanzler im ersten Wahlgang rechnet.
Der CDU-Vorsitzende muss mindestens die Stimmen der Mehrheit der Bundestagsmitglieder erhalten – das sind bei 630 Abgeordneten mindestens 316. CDU/CSU (208) und SPD (120) verfügen zusammen über 328 Mandate, also nur über zwölf mehr, als sie unbedingt brauchen.
Sauerland für Deutschland?
Wenn Friedrich Merz heute vermutlich zum Kanzler gewählt wird, schauen sie in Arnsberg vor allem stolz in Richtung Berlin. Aber auch mit glasklaren Erwartungen. Ein Besuch in Merz' Heimatregion.
Der designierte Kanzleramtsminister Thorsten Frei hat sich im ARD-Morgenmagazin zur künftigen Zusammenarbeit von Schwarz-Rot geäußert. Die Koalition werde hoffentlich "geräuschlos und geschmeidig" funktionieren, so sein Wunsch. Da es sich dieses Mal nur um zwei Koalitionsparteien handele, sieht er dafür gute Chancen.
Frei erklärte zudem, man habe bei den Koalitionsverhandlungen gemerkt, dass es "ein großes gemeinsames Bewusstsein ob der Herausforderungen" gebe, denen das Land gegenüberstehe. Dabei nannte er den russischen Angriffskrieg, den Zoll- und Handelsstreit mit den USA, aber auch die innerstaatlichen Herausforderungen wie die Rezession.
Was Börse und Unternehmen erwarten
Vor der neuen Bundesregierung liegen große Aufgaben. Die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, dürfte dabei an erster Stelle stehen. Wird der Regierung Merz das gelingen?
Wie die Kanzlerwahl abläuft
Der Koalitionsvertrag ist unterschrieben, Scholz mit Großem Zapfenstreich verabschiedet. Heute soll Merz zum Kanzler gewählt und sein Kabinett vereidigt werden. So sieht der Zeitplan aus.
Zum Start der neuen Bundesregierung haben sich 293 Verbände gemeinsam gegen geplante Verschärfungen in der Migrationspolitik gewandt. Konkret lehnen sie unter anderem Zurückweisungen an den Grenzen und Abschiebungen in Krisenländer ab.
Hinter dem "Appell für eine verantwortungsvolle Migrationspolitik" stehen 82 bundesweite Organisationen wie der Deutsche Gewerkschaftsbund, der Paritätische Gesamtverband, der Deutsche Caritasverband, Brot für die Welt oder Misereor. Dazu kommen Dutzende Verbände, Gruppen und Initiativen auf Landes- und kommunaler Ebene.
Der Industrieverband BDI fordert von der neuen Bundesregierung Planungssicherheit. "Daher sollte der Bundeshaushalt 2025 im Frühsommer stehen und der Entwurf für 2026 vorliegen", sagt BDI-Präsident Peter Leibinger einer Mitteilung zufolge. Auch das Gesetz zur Errichtung des 500 Milliarden Euro schweren Sondervermögens zur Modernisierung der Infrastruktur müsse schnell kommen.
Es brauche auch eine zügige Umsetzung bei den geplanten "Superabschreibungen" auf Investitionen in den Jahren 2025 bis 2027 und die Energiekosten müssten schnell gesenkt werden.
Die neue Bundesregierung aus Union und SPD will mehr als zwei Dutzend Sonderbeauftragte streichen. Das berichtet die Nachrichtenagentur Reuters und bezieht sich auf eine Beschlussvorlage für das Kabinett. Viele Funktionen sollen künftig wieder in das jeweils zuständige Ministerium eingegliedert werden oder ganz wegfallen.
Laut der Beschlussvorlage, über die auch das Magazin Politico berichtete, soll es künftig unter anderem keinen Botschafter für feministische Außenpolitik mehr geben, ebenso keinen Sonderbeauftragten des Auswärtigen Amts für Libyen. Gestrichen werden soll auch der Radverkehrsbeauftragte im Verkehrsministerium.
Der Juso-Chef Philip Türmer hat eine "ungerechte, ungleiche Behandlung" von SPD-Chefin Saskia Esken kritisiert. Der Umgang mit Esken zeige, "dass SPD-Frauen unter besonderer Belastung und besonderem Druck stehen", sagte Türmer dem Nachrichtenportal web.de. "Einem Druck, den Männer so nicht zu befürchten haben." Türmer forderte mit Blick auf den innerparteilichen Umgang einen Kulturwandel.